Ein Steuerpflichtiger kann Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehen. Etwas anderes gilt, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Was ist unter "anderer Arbeitsplatz" zu verstehen?

Ob für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist oft problematisch. Der BFH vertritt die Ansicht, dass ein solcher "anderer Arbeitsplatz" grundsätzlich jeder Arbeitsplatz ist, sofern er zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist (BFH, Urteil v. 7.8.2003, VI R 17/01). Es muss dann allerdings geprüft werden, ob der – an sich vorhandene – andere Arbeitsplatz auch tatsächlich für alle Aufgabenbereiche der Erwerbstätigkeit genutzt werden kann. Deshalb steht der andere Arbeitsplatz nur dann "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann.

Beispiel: Praxisräume eines Logopäden

A ist als Logopäde in angemieteten Räumen tätig. Im Rahmen der Gewinnermittlung für die Einkommensteuererklärung 2015 macht er Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im privat genutzten Einfamilienhaus in Höhe von 1.250 EUR geltend (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 i. V. m. Satz 3, 1. Halbsatz EStG).
Er habe in den Praxisräumen keinen anderen Arbeitsplatz in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise, um seine Bürotätigkeiten auszuführen. In der Praxis würden sich ausschließlich durch die Angestellten genutzte Behandlungsräume befinden. Zwar seien diese auch mit Tischen, Computern und teilweise mit Aktenschränken ausgestattet, würden jedoch ihm jedoch nicht zur konkreten Erledigung aller betrieblichen und beruflichen Schreibtischtätigkeiten zur Verfügung stehen. Während der laufenden Behandlungen sei die Verrichtung von Verwaltungstätigkeiten nicht möglich, da dort ungestörte Ruhe und Konzentration notwendig sei. Da die Verwaltungsarbeiten (z.B. taggenaue Patientenabrechnungen) auch während der Praxisöffnungszeiten verrichtet werden müssten, sei ein häusliches Arbeitszimmer z. B. für die Buchhaltungs- bzw. Lohnbuchhaltungsarbeiten erforderlich.

Praxis-Tipp: FG urteilt steuerzahlerfreundlich

Das FG des Landes Sachsen-Anhalt hat jüngst entschieden, dass es vorliegend grundsätzlich möglich sei, auch in den Praxisräumen Bürotätigkeiten auszuüben, doch fehle es an einem anderen Arbeitsplatz in dem Maße, dass dieser im konkret erforderlichen Umfang und für die konkret erforderliche Art und Weise tatsächlich zur Verfügung stehe. Der Steuerpflichtige könne auch nicht darauf verwiesen werden, die Bürotätigkeiten in den Abendstunden oder am Wochenende außerhalb der Praxisöffnungszeiten in der Praxis auszuführen. Das FG sieht eine solche Anforderung an Steuerpflichtige als "unzumutbar" an.

Das FG hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen, weil die Frage der Zumutbarkeit der Nutzung betrieblicher Räume durch Selbstständige außerhalb der üblichen Praxiszeiten vom BFH noch nicht abschließend entschieden worden sei. Es liegt auf der Hand, dass vergleichbare Fälle offengehalten werden sollten, bis der BFH über die anhängige Revision entschieden hat. Falls der BFH dem FG folgt, dürfte die Entscheidung eine erhebliche Breitenwirkung entfalten.
(Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 1. März 2016, Az. 4 K 362/15)